Selbstbestimmt. Eigenverantwortlich. Flexibel. Kollaborativ. Zweckgebunden. Personalisiert. Offen. So möchten wir heute Lernen gestalten und selber erleben. Dass dabei (situative) Fragen, Aufgaben und Herausforderungen eine zentrale Rolle spielen, braucht wohl kaum mehr diskutiert zu werden. Wie wir es in der Ausbildung erreichen, dass solche entstehen, ist schon ein wenig komplexer. Im Studiengang BSc Data Science der FHNW, an dessen Entwicklung ich mitarbeiten darf, soll dies durch Challenges, Projekte und Wettbewerbe erfolgen. Um das selbstbestimmte Lernen in solchen Gefässen zu unterstützen, braucht es aber nebst spannenden Aufgaben, guten Lernbegleitern und einer entsprechenden Lernkultur auch eine passende Infrastruktur oder Lernumgebung.

Die Lernumgebung soll dabei einen Ermöglichungsrahmen bieten, in dem sich die Studierenden frei bewegen und ihren persönlichen Lernweg finden können. Was für mich dazu gehört, habe ich in einem früheren Blog Artikel skizziert. Die wichtigsten Pfeiler sind

  • eine Mediathek mit kuratierten Inhalten und der Möglichkeit für alle Nutzer, weitere Inhalte hochzuladen
  • Profilseiten mit absolvierten Arbeiten, die auch als E-Portfolio dienen können
  • Kollaborations- und Kommunikationsräume, welche für eine Vielzahl von Nutzungen zur Verfügung stehen (kollaborative Projektarbeiten, Lerngruppen, Vorlesungen, Mentoring und Tutoring, etc etc)
  • Eine Studiennavigation, die längerfristig auch Empfehlungen für Lernschritte und Lerninhalte beinhalten soll

Die heutigen Lernmanagementsysteme wie Moodle verfügen bei richtiger Konfiguration bereits über eine beträchtliche Zahl der oben genannten Anforderungen. Es können Profile erstellt, Kollaborationsräume und Kommunikationskanäle eröffnet, Inhaltssammlung aufgebaut oder Kompetenzprofile erstellt werden. Gleichzeitig sind Lernmanagementsysteme stark autoritätsgetrieben. Nur in radikalen Ansätzen, in denen jeder Teilnehmer Administrationsrechte erhält, kann ein kollaboratives, selbst-bestimmtes Lernen auf Augenhöhe ermöglicht werden (LinkedIn Artikel Ralf Hilgenstock, Kommentar Miriam Beier).

Wir werden daher einen anderen Weg gehen und auf ein bekanntes und sehr verbreitetes Open Source Content Management System bauen- WordPress. Dank einer Zusammenarbeit mit der TU Köln dürfen wir das in den letzten 10 Jahren bei ihnen aufgebaute Social Learning Environment «Spaces»für unsere Lernplattform nutzen und gemeinsam weiterentwickeln. Spaces erfüllt schon viele unserer Anforderungen: Profil-Seiten, Kollaborationsräume und eine Kommunikationsplattform sind zentrale Teile von Spaces. Die von uns bereits als Beta erstellte Mediathek lässt sich problemlos einfügen. Schnittstellen für den Export von Nutzerdaten sind vorhanden, so dass eine Entwicklung eines Recommender-Systems für Inhalte und nächste Lernschritte möglich ist.

Im Detail soll unsere Lernumgebung folgende Elemente beinhalten:

  • eine (fast) unstrukturierte Sammlung relevanter Lerninhalte jeglicher Art und jeglicher Herkunft mit der Möglichkeit zur Partizipation. In einer Mediathek werden interne, aber vor allem auch externe Lernmöglichkeiten gesammelt, kategorisiert und getagged. Eine sehr gute Suche ermöglicht es den Studierenden, rasch für ihre jeweilige Aufgabe und zu ihren persönlichen Lernstil passende Inhalte zu finden. Durch die Kuratierung der Lerninhalte durch zuerst Dozierende und Lernbegleiter, später auch durch die Studierenden selbst, erfolgt eine Qualitätskontrolle gegenüber den zahlreichen Quellen im Internet. Weiter erfahren die Teilgeber content curation als eine Fähigkeit, im digitalen Zeitalter Inhalte zu suchen, zu bewerten und mit anderen zu teilen. Bewertungen und Kommentare der Nutzer vertiefen beide Aspekte und ermöglichen eine weitere niederschwellige, aktive Beteiligung am Aufbau der Mediathek.
  • die Möglichkeit für jedermann (Studierende, Dozierende, Mitarbeiter, Externe), ein persönliches Profil zu erstellen und seine Arbeiten, Interessen und Kompetenzen sichtbar zu machen. Klassische Profilseiten werden dabei automatisch mit den Projekten/Räumen ergänzt, an denen der Nutzer teilnimmt. Zusätzliche Seiten ermöglichen es, das eigene Wissen in einer selbstbestimmten Form zu präsentieren. Je nach Aufgabe oder Vorliebe kann dies ein Lerntagebuch, eine Projektpräsentation oder ein Artikel zu einem bestimmten Thema sein. Über die Zeit ergibt sich für Studierende so ein e-Portfolio, das zugleich den Lernfortschritt und kontinuierlichen Kompetenzerwerb dokumentiert. Für jahrgangsübergreifende Projekte oder bei der Suche nach Experten zu einem Thema können Studierende in den Profil-Seiten passende Personen finden und diese kontaktieren. Dort sichtbare, bereits absolvierte Projekte können als Inspiration für weitere, studenten-initiierte Arbeiten oder auch als Vorbild für den eigenen Lernweg dienen.
  • Kollaborations- und Kommunikationsräume, welche ein Zusammenarbeiten in Projekten, Workshops oder Lerngruppen ermöglichen. Neue Aktivitäten erhalten durch den Initiator (Studierende, Dozierende, Lernbegleiter) einen neuen Raum, in dem sich alle Erst-Information befindet. Wer dem Raum beitritt (und sich damit für die Veranstaltung einschreibt), erhält automatisch eine Verknüpfung auf/zu seinem persönlichen Profil. So kann eine erste virtuelle Vernetzung stattfinden, beziehungsweise absolvierte Arbeiten und Interessen in den Profilen sichtbar werden. Die Kollaborationsräume ermöglichen ein social learning innerhalb des Studienganges als semi-geschützter Raum. Sie können transient für ein Projekt oder langfristig für den Aufbau einer Community genutzt werden.
  • Empfehlungen für sinnvoll hintereinander anzugehende Lernschritte beziehungsweise Lernwege. In unserem Studiengang erhält jeder Studierende einen Coach zur Seite gestellt, der ihm hilft, diese Lernschritte und Lernwege zu erkennen. Da diese aber sehr vielfältig sein können, soll die Lernplattform beide, Studierender und Coach, mittelfristig dabei unterstützen. Eine erste Hilfestellung sind Empfehlungen in der Mediathek zu weiteren Inhalten zum Thema, später dann auch «sinnvoll folgenden» Inhalten. Diese Empfehlungen können im Laufe der Zeit ausgeweitet werden und Lernziele, zu erwerbende Kompetenzen oder ganze Projekte einbeziehen. Die dazu erforderliche Learning Analytics darf dabei in keiner Weise die Autonomie der Studierenden tangieren, sondern muss ausschliesslich als unterstützendes Werkzeug dienen.
  • Eine übersichtliche Studiennavigation. Durch die Verlagerung vom einheitlichen Weg durch einen modul-basierten Unterricht zu einem kompetenz-getriebenen, projekt-basierten Studiengang ergibt sich eine Vielzahl von Lernzielen und Lernwegen. Können einzelne Lernziele und Kompetenzen im Managementsystem Evento noch abgebildet werden, stellt ihre Verknüpfung und die daraus resultierenden diversen Lernwege eine Herausforderung dar. Eine graphische Aufbereitung der persönlichen Lernziele, der absolvierten Wege und erreichten Meilensteine soll direkt von den persönlichen Profilen aus in einem geschützten Bereich einsehbar sein.

Der Import von Daten externer Komponenten wie zB Evento beziehungsweise dem Learning Analytics System wird eine der ersten gemeinsamen Entwicklungen unseres Studienganges mit den Verantwortlichen der TU Köln sein. Viele weitere Ideen sind angedacht, und es wird spannend zu sehen, wie sich die Lernplattform in den ersten Jahren durch und mit den Studierenden entwickeln und verändern wird.

Future Models of Social Learning, by masmithers on flickr, CC-BY-NC-SA 
https://www.flickr.com/photos/marksmithers/4173252091

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