In rund einem Monat beginnt das dritte Corona-Semester. Mindestens fĂŒr die ersten Wochen dĂŒrfte immer noch Online Unterricht angesagt sein. In den letzten Wochen hörte ich im Rahmen meiner Workshops von vielen Dozierenden, was sie diesbezĂŒglich beschĂ€ftigt. Vielfach kamen Fragen wie «Wie bringe ich meine Studierenden dazu, ihre Kameras einzuschalten?» «Was mache ich, wenn auf meine Frage wieder nur Totenstille herrscht?» «Wie stelle ich sicher, dass die Studierenden in den GruppenrĂ€umen auch arbeiten und nicht nur quatschen?».
Diese Fragen sind Zeichen vom GefĂŒhl fehlender Motivation bei den Studierenden, einem geringen Level von erhaltenem Feedback und einem daraus folgenden fehlenden Vertrauen in die Studierenden. Gleichzeitig tun sich die Studierenden- speziell diejenigen aus dem ersten Semester, welche nur das Online Studium kennen- schwer damit, einander kennenzulernen, sich gegenseitig im Studium zu unterstĂŒtzen und gute (Gruppen)Arbeiten abzugeben.
Was allen fehlt, ist die soziale Verbundenheit. WĂ€hrend eines regulĂ€ren Semesters ergeben sich nicht nur unter den Studierenden, sondern auch zwischen Studierenden und ihren Dozierenden zahlreiche Gelegenheiten, sich nĂ€her zu kommen, Vertrauen zueinander zu fassen und auf dieser Basis zusammenzuarbeiten. Diese soziale Eingebundenheit ist ein wichtiger Faktor der Motivation von beiden- Studierenden und Dozierenden. Bei Studierenden kann deren Fehlen zu geringerer Leistung bis hin zum Studienabbruch fĂŒhren, bei Dozierenden zu Frust, dass sich die BemĂŒhungen zur Verbesserung ihres Online Unterrichtes nicht auszahlen.
Doch wie lĂ€sst sich soziale Eingebundenheit erzeugen, wenn weiterhin die Hochschulen geschlossen und alle alleine zuhause vor dem Computer sitzen? Wie können Dozierende den Raum schaffen, dass soziale Interaktionen trotzdem stattfinden können? Im Folgenden prĂ€sentiere ich ein paar Ideen, was jeder Dozierende, jede Dozierende fĂŒr ihre Veranstaltung tun kann.
Auftaktveranstaltung: Wie ĂŒberall im Leben muss man sich zuerst einmal ein wenig kennenlernen. Dazu bietet sich der erste gemeinsame Termin an. Anstatt gleich mit Stoff zu beginnen, kann durch kleine AktivitĂ€ten wie einfache Kennenlernspiele gleich zu Beginn eine gemeinsame Basis gelegt werden. Dabei ist der Dozierende genauso ein Teilnehmender wie die Studierenden. Sei es mit Post-Its und Fragen, einer Mad Tea Party oder in einer kleineren Gruppe mit dem Austausch eines positiven Erlebnisses der vergangenen Woche- das Finden erster Gemeinsamkeiten erhöht das GemeinschaftsgefĂŒhl. Die Auftaktveranstaltung kann weiter dazu genutzt werden, den Ablauf des Semesters zu erklĂ€ren, eventuell neu genutzte Tools gemeinsam auszuprobieren und zu klĂ€ren, wie man miteinander kommunizieren will. Dazu kann auch gehören, die Kamera-an-Diskussion zu fĂŒhren. Am Schluss sollte ein Konsens darĂŒber herrschen, wie Studierende und Dozierende im kommenden Semester gemeinsam arbeiten möchten. Den Abschluss macht dabei wieder eine soziale AktivitĂ€t oder ein Check-Out: Was brauche ich, damit ich in diesem Fach im kommenden Semester gut lernen kann? Was kann ich selbst dazu beitragen, dass alle gut lernen können?
WĂ€hrend den Veranstaltungen: Wer nichts zu tun hat und primĂ€r dem Dozierenden zuhört, ist eher versucht, seine Kamera abzustellen. Um also ein lebendiges Lernsetting zu erzeugen, muss die Veranstaltung aktiv gestaltet und die Studierenden eingebunden werden. Wird gleich zu Beginn ein Check-In oder eine soziale AktivitĂ€t durchgefĂŒhrt, werden alle Teilnehmenden abgeholt und fĂŒhlen sich wahrgenommen. Kurze AktivitĂ€ten in kleinen GruppenrĂ€umen, die zu immer grösseren Gruppen zusammengefĂŒhrt oder deren Ergebnisse in einem Kollaborationstool zusammengestellt werden, erhöhen nicht nur die soziale Eingebundenheit der Studierenden, sondern aktivieren auch jeden und jede. Werden dabei CATs, Classroom Assessement Techniques, eingesetzt, erhĂ€lt der Dozierende gleichzeitig Feedback ĂŒber den Lernstand seiner Studierenden und damit indirekt auch ĂŒber die QualitĂ€t seines Unterrichtes. Dazu können auch Tools wie Kahoot, Mentimeter oder SpeakUp verwendet werden, die dem Ganzen einen spielerischen Charakter verleihen. Die erhaltenen RĂŒckmeldungen zeigen eventuelle WissenslĂŒcken auf, die in der Veranstaltung mit gezielten Inputs des Dozierenden gefĂŒllt werden können.
Ăber ein ganzes Semester können dabei auch Rituale geschaffen werden. Vielleicht wird immer vor der Pause die gleiche AktivitĂ€t gemacht. Oder der Dozierende sitzt vor einem BĂŒchergestell, in dem vor jeder Veranstaltung etwas verĂ€ndert wurde, und macht daraus ein RĂ€tsel. Oder es wird mit auffĂ€lliger Kleidung oder virtuellen HintergrĂŒnden gearbeitet. Viele Beispiele dafĂŒr finden sich in der MOOC-Welt, die mit dem Thema soziale Eingebundenheit einige Erfahrungen gemacht hat.
Zwischen den Veranstaltungen: Die Frage, was zwischen den Veranstaltungen passieren soll, geht eigentlich nahtlos in den Punkt ĂŒber, wie der gesamte Semesterverlauf geplant ist.
Ăber das ganze Semester: Wer seinen Unterricht nicht mehr primĂ€r als Vorlesung, sondern als aktive Veranstaltung abhĂ€lt, muss den Studierenden Zeit geben, sich auf diese vorzubereiten. Damit muss ĂŒber den Verlauf des ganzen Semesters nachgedacht werden. Gerade bei grossen Klassen kann es sinnvoll sein, diese aufzuteilen und sich alternierend mit ihnen zu treffen. In den kleineren Gruppen kann eher Vertrautheit aufgebaut werden und der Dozierende kann besser auf die Studierenden eingehen. Aber auch bei kleineren Gruppen genĂŒgt es meist, die Studierenden nur in jeder zweiten Lektion zu sehen. Die Zeit dazwischen gehört den Studierenden zum Lesen, Lernen und Arbeiten.
Ăbungen ermöglichen die selbstĂ€ndige Lernkontrolle und damit das Stellen von gezielten Fragen wĂ€hrend der synchronen Veranstaltung. Gruppenarbeiten oder Mini-Projekte können dafĂŒr sorgen, dass die Studierenden sich in Lerngruppen organisieren (mĂŒssen) und so Gemeinschaft erleben.
Haben die Studierenden etwas zu produzieren und demonstrieren- zum Beispiel ein Thema bearbeiten und prĂ€sentieren, oder ein StĂŒck Code schreiben und diesen gegenseitig reviewen- wirken die gemeinsamen Veranstaltungen wie Meilensteine. Dies hilft nicht nur bei der Lernorganisation, die Studierenden sind in ihrem Lernen auch synchronisiert und fĂŒhlen sich eher miteinander verbunden.
Asynchrone UnterstĂŒtzung: Auch zwischen den Veranstaltungen sollte der Dozierende fĂŒr Fragen gut erreichbar sein und so zeigen, dass er fĂŒr die Studierenden da ist. Im Idealfall wird dazu ein gemeinsames Tool genutzt- ein Chat oder ein Forum. Fragen, die per Email kommen, können mit Antwort zusĂ€tzlich in den Chat gestellt oder in der nĂ€chsten Stunde erwĂ€hnt werden. So wird den Studierenden bewusst, dass sie mit ihren Fragen nicht alleine sind.
Selten blĂŒht ein Austausch-Tool aber von Anfang an auf. WĂ€hrend man in PrĂ€senz zuerst den Banknachbarn fragen kann, verlangt die digitale Umgebung, sich zu exponieren. Liegt noch eine geringe soziale Vertrautheit vor, ist dies fĂŒr viele Studierende herausfordernd. Andere sind es sich schlicht nicht gewohnt, dass sie von sich aus UnterstĂŒtzung anfordern mĂŒssen und warten darauf, gefĂŒttert zu werden. Aktive synchrone Veranstaltungen helfen dabei, diese Haltung nach und nach abzulegen.
Fazit: Guter Online-Unterricht sollte also immer das Ziel verfolgen, die soziale Eingebundenheit und damit die Motivation aller Beteiligter durch ein gutes Zusammenspiel von sozialen AktivitĂ€ten, aktiven PrĂ€senzphasen und sinnvollen Aufgaben und UnterstĂŒtzung zwischen den Veranstaltungen zu steigern. Dies geschieht nicht ohne Zusatzaufwand und fĂŒr Soziales geschaffener Zeit innerhalb des Unterrichtes. Dies zu investieren zahlt sich aber vielfach aus, wenn Studierende und Dozierende dafĂŒr wieder gemeinsam und aktiv Lehrveranstaltungen durchfĂŒhren können.
Lesetipp: Webcam-Nutzung von Studierenden in Online-Veranstaltungen, Beitrag Verena Gerner fĂŒrs Hochschulforum Digitalisierung
Ressourcen: Padlet Flipped Classroom mit Hinweisen zu CATs; Dokument zu sozialen AktivitÀten aus dem FS20; Workshops zum Thema
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